Die Sommerausstellung dieses Jahres rückt die Sammlung des Kunsthauses Zug in ein künstlerisch und geografisch erweitertes Blickfeld. Zusammen mit eigenen Beständen, besonders aus dem Bereich Schweizer Surrealismus und Fantastik, aber auch der Wiener Moderne aus der Stiftung Sammlung Kamm und der Gegenwartskunst, präsentiert das Kunsthaus Zug eine konzentrierte, speziell darauf abgestimmte Werkauswahl aus dem Kunstmuseum Luzern. Mit der Ausstellung wird die bewährte Kooperation zwischen kulturellen Institutionen der Zentralschweiz fortgesetzt und verstärkt. Die Ausstellung nutzt die in der Region vorhandenen Ressourcen, verknüpft Werke aus zwei Museumssammlungen und bringt sie in einen lebendigen Diskurs. Sie spürt einem Geflecht von Beziehungen nach, die es trotz der unterschiedlichen Geschichte der beiden Häuser gibt. Ein spezifischer Aspekt der Sammlung des Kunsthauses Zug steht dabei im Zentrum: der von der Zuger Kunstgesellschaft seit den 1980er Jahren konsequent aufgebaute Schwerpunkt zu Schweizer Surrealismus und Fantastik, der parallel zu monografischen Ausstellungen wichtiger Schweizer Künstler im Kunsthaus Zug entstand (zum Beispiel Walter Kurt Wiemken, Kurt Seligmann oder Friedrich Kuhn). Die Arbeiten aus dem Kunstmuseum Luzern setzen in Zug schöne Akzente, indem sie Querbezüge herstellen sowie Korrespondenzen und Unterschiede zwischen den Sammlungen aufzeigen, die einander in dieser besonderen Konstellation wunderbar ergänzen. Zahlreiche, neu angekaufte oder als Schenkung ins Kunsthaus Zug gelangte Werke werden erstmals ausgestellt, darunter ein umfangreiches Ensemble der Luzernerin Josephine Troller, das dem Kunsthaus Zug geschenkt wurde wie auch eine neu erworbene Gruppe von Zeichnungen des Basler Surrealisten Walter Kurt Wiemken. Surrealismus und Fantastik - das bedeutet nicht leicht zu kategorisierende Künstlerinnen und Künstler, die sich ausserhalb der üblichen Denkkategorien bewegen und kunsthistorisch nicht immer leicht zu situieren sind. Das bedeutet Beschäftigung mit den Bruchstellen an den Rändern, mit künstlerischen Haltungen, die vom Mainstream oft übersehen werden. Kommen wir auf einige Positionen der Ausstellung zu sprechen. Der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Adolf Wölfli entwickelte sich anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts in der Irrenanstalt Waldau bei Bern zu einem emblematischen Vertreter der Art brut. Sein zeichnerisches Oeuvre basiert auf symmetrischen Kompositionen voller symbolischer und archetypischer Motive wie Kreise, Ovale, Sterne, Becher, Schnecken oder Schmetterlinge. Das Kunsthaus Zug besitzt eine Reihe seiner farbigen Blätter. Surrealismus aus Zentralschweizer Perspektive verkörpert Max von Moos – über Jahrzehnte hinweg lange eine der prägenden Künstlerpersönlichkeiten der Region und ein wichtiger Exponent der modernen Schweizer Malerei. In surrealistischer Manier transformiert auch die Luzernerin Josephine Troller das Arbeitsgerät der Hutmacherin mit einem einfachen Eingriff, entzieht es seiner ursprünglichen Funktion und umgibt es mit einem Tierreigen. Max von Moos und Josephine Troller sind in Luzern wie in Zug mit eindrücklichen Werkgruppen vertreten. Anders als jener von Max von Moos’ präsentiert sich der Surrealismus des Baslers Kurt Seligmann, der ab 1929 in Paris lebt, wo er André Breton begegnet und 1939 schliesslich nach New York übersiedelt, oder die Malereien und Plastiken von Friedrich Kuhn, einem markanten Vertreter der Zürcher Szene der sechziger Jahre. Stiller, verhaltener sind die Malereien von Trudi Demut, einer Vertreterin der gleichen Generation wie Kuhn und ebenfalls in Zürich tätig. Kurt Seligmann wie auch Friedrich Kuhn und Trudi Demut sind im Zuger Sammlungsbestand mit zentralen Werken dokumentiert. Während es zu den Landschaften von Klimt, Schiele und Gerstl aus der Stiftung Sammlung Kamm keine Luzerner Gegenstücke gibt, antworten die farbigen Zeichnungen von Günter Brus aus dem Kunstmuseum Luzern auf die Blätter Alfred Kubins aus Zug. Vier Werke von Arnulf Rainer aus Zuger Privatbesitz bilden einen markanten Kontrast zu den beiden Gemälden von Maria Lassnig aus Luzern. Zu aussagekräftigen Konstellationen vereinigen sich die Werke von André Thomkins, Dieter Roth, Wilfrid Moser und Ilse Weber aus Zug und Luzern. Vermeintlich bekannte Werke sind dank den ungewohnten Nachbarn auch für Stammgäste der beiden Museen neu zu erleben. Die Gegenüberstellung von in Luzern aufbewahrten Malereien Heiner Kielholz’ und Arbeiten auf Papier des später lange in Zug tätigen Josef Herzog rufen die gemeinsame Zeit im legendären <Ziegelrain> in Aarau nach 1968 in Erinnerung. Das besondere Klima der späten sechziger und der siebziger Jahre und der damit verbundene generationenübergreifende Nonkonformismus ist auch im Oeuvre der damals vorwiegend in Bern tätigen Meret Oppenheim und Markus Raetz abzulesen. Die Konzeptkunst, die performative Kunst, Fotografie und die Beschäftigung mit der Alltagskultur spiegeln sich in vielen Facetten im Werk von Hannah Villiger, Urs Lüthi und Jean-Frédéric Schnyder. Diese international rezipierte Schweizer Künstlergeneration verkörpert einen Paradigmenwechsel, an dem sich auch heute viele junge Kunstschaffende orientieren.
Stiftung Sammlung Kamm, Zug