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Max Ernst

Les Champs d'honneur les inondations les plantes sismiques (Originale Vorlagezeichnung zu Blatt 12 aus der Folge "L'Histoire Naturelle", Paris Ed. J. Bucher 1926)

1925
Frottage (Bleistift) auf Papier
Objektmass: 26.2 x 42.9 cm; Bildmass: 51.5 x 71.5 x 2.5 cm
Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm
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1922 emigrierte Max Ernst (1891–1976) aus dem Rheinland nach Paris, wo er sich dem Kreis der Surrealist:innen um André Breton (1896–1966) anschloss, der in seinem «Ersten Manifest des Surrealismus» (1924) die programmatischen Grundzüge einer neuen, surrealistischen Literatur formulierte. Wenn Breton in seinem Manifest die bildende Kunst höchstens am Rande thematisiert, ist dies dem Umstand geschuldet, dass der Surrealismus eine zunächst rein literarische Bewegung war. Als ein Durchbruch des Surrealismus in der bildenden Kunst gilt Max Ernsts Frottage-Zyklus «Histoire naturelle» (dt.: «Naturgeschichte»). Das Mappenwerk mit 34 im Lichtdruckverfahren reproduzierten Blättern erschien 1926 in der Galérie Jeanne Bucher. Die durch Abreibungen (frz.: «frottage») über strukturierte Oberflächen erzeugten Bilder zeigen Motive aus der kosmologischen, pflanzlichen, tierischen und menschlichen Welt. In Abgrenzung zur tradierten naturgeschichtlichen und ästhetischen Abbildungstradition entwickelt Ernst dabei eine neue, surrealistische Naturgeschichte – selbst die Bildtitel verweigern sich der konventionellen Funktion der Erklärung, indem sie vielfach von der Bilddarstellung abweichende Assoziationen evozieren und die Deutung ins Offene lenken. Besonders rätselhaft wirkt der Titel, den Ernst dem zwölften Blatt des Frottage-Zyklus verleiht. Die vergleichsweise konkrete Darstellung zeigt ein knollenartiges Fruchtgebilde auf einem nach rechts auslaufenden, dunkel schraffierten Grund sowie einen Blätterfächer auf der oberen rechten Bildhälfte, der direkt auf der Horizontlinie liegt und sich um eine leere Kreismitte anordnet. Der Titel des Blattes «Les champs d’honneur, les inondations, les plantes sismiques» (dt.: «Felder der Ehre, Überschwemmungen, Erdbebenpflanzen») irritiert nicht nur durch die im Wortlaut zusammenkommende Kombination heterogener Wirklichkeitsebenen, sondern lässt auch kaum eine nachvollziehbare Entsprechung zum dazugehörigen Bild erkennen. Das Blatt steht stellvertretend für den gesamten Zyklus – Ernst appelliert an die Imaginationskraft der Betrachtenden und fordert sie auf, die Kluft zwischen Bild und Text selbst zu schliessen.